Mein Brief an Egon

Lieber Egon

Lieber Egon,

ich kann mir förmlich dein genervtes Gesicht vorstellen. „Jetzt schreibt die mir auch noch Briefe… Soll mal lieber die Heuraufe wieder auffüllen“. Keine Sorge, ich werde ihn dir auch nicht vorlesen, weil du dann eh nur vor mir weg laufen und deine Ohren auf diese ganz bestimmte Weise genervt zur Seite abklappen wirst. Oder den Brief versuchst aufzuessen. Ich kenne dich doch.

Trotzdem war es mir wichtig, dir einfach mal zu schreiben. Du hast mein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt, weißt du das überhaupt? Du kleines flauschiges Fellknäuel (und auch diese Bezeichnung wirst du hassen, hihi 😀 ).

Als ich dich vor 1,5 Jahren adoptiert habe, habe ich mir gar nicht viel dabei gedacht. Klar, du warst süß und wie erwähnt furchtbar flauschig, aber ich hatte nicht vor, an meinem Leben viel zu ändern nur wegen dir.

Und jetzt?

Jetzt schreibe ich über dich in einem Blog, verbringe meine Urlaube wandern und zeltend, habe meinen Job aufgegeben, werde umziehen und wurde als „starke Frau“ portraitiert. Und das alles nur wegen dir! Ja wirklich!

Das ist doch verrückt, oder? Hast du das mit Absicht gemacht?

Hast du gewusst, dass ich dich brauche und bist deswegen zu mir gekommen? Hast du gewusst, dass du mein Leben um 180 Grad drehen wirst? Du tust ja immer so unscheinbar, wenn du heu-mümmelnd im Paddock stehst. Aber manchmal glaube ich, du kennst mich besser, als ich mich selbst.

Dabei sind wir gar nicht so ein richtiges Traumpaar. Du bist einfach ein kleiner Grumpy, wenn ich das mal so sagen darf. Und ich irgendwie auch. Du wieherst mir nicht auf der Weide entgegen, willst lieber Heu essen, statt mit mir etwas zu üben und hast beim Putzen oft schlechte Laune.

Aber weißt du was? Das stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Du bist eben du und ich habe dich lieb, so wie du bist. Gerade, weil du „Charakter“ hast.

Dafür beweist du mir immer wieder, dass du mir vertraust und mir folgst, wenn es darauf ankommt. Die Wanderung durch die Drachenschlucht – oh mein Gott, war das der Wahnsinn. Du warst so artig und tapfer!

Oder neulich bei unserer Winterwanderung bist du mir einfach so in den tiefen Schnee gefolgt… bis du bis zum Bauch feststecktest. Ja, ich bin da manchmal ein bisschen trottelig.

Danke, dass du mir das immer wieder verzeihst und mir trotzdem immer wieder dein Vertrauen schenkst. Und dann darfst du auch mal genervt gucken 😉

Ich weiß gar nicht, wo ich derzeit ohne dich wäre. Vermutlich weiterhin in meinem alten Job, stundenlang drinnen vor dem Computer, an mir selbst zweifelnd und irgendwie ohne Ziel.

Dabei will ich mein „altes“ Leben gar nicht schlecht reden. Aber du weißt ja, wie es mir ging. Oder auch jetzt noch manchmal geht. Kann ja nicht immer alles Heu, Müsli und Sonnenschein sein. Aber durch dich habe ich im letzten Jahr so vieles verändert. Und so viele tolle Leute kennengelernt.

Weißt du eigentlich, dass du ein kleiner Star bist? Eigentlich wollte ich es dir ja gar nicht verraten, weil du dann sicher noch eigensinniger wirst und nur noch BIO-Möhren frisst oder so. Aber es stimmt: Ganz viele Leute kennen dich und unsere Geschichten.

Und mein kleiner Star bist du sowieso. Wenn ich dich mal wieder vom Altenheim abhole, wo du vor der Tür auf Leckerlies wartest. Wenn du auf unseren Wanderungen Fahrradfahrer anwieherst. Wenn du unbeirrt Treppen läufst und unterm Schnee nach Grasbüscheln suchst.

So richtig weiß ich gar nicht, wie das passieren konnte, dass ich mein Leben so verändert habe. Aber ich weiß, dass es gut ist. Und dass du der Grund dafür warst.

Ich wollte mehr Zeit mit dir in der Natur verbringen. Also konnte ich nicht 40 Stunden in der Woche im Büro sitzen. Ich wollte dich jeden Tag sehen, also werde ich umziehen. Ich wollte glücklich sein und nur noch das machen, was mir Spaß macht. Also mache ich das.

Und jetzt wollte ich dir dafür einfach mal Danke sagen.

Danke, dass du mir dafür die Kraft gibst.

Danke, dass du mich mit deinem Schabernack immer wieder aufheiterst.

Danke, dass du mir folgst und vertraust.

Danke, du kleines Fellmonster.

Für alles.

Deine Sarah

11 Gedanken zu „Mein Brief an Egon

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  4. Liebe Sarah,
    mich hat Dein Brief an Egon sehr berührt. Du beschreibst Deine Beziehung zu ihm sehr nah und ich denke, ich hätte so einen Brief meinem Hund, der Leah auch schreiben können – soo viel Lebensveränderung in all den Jahren! Sie guckt mich aus ihren braunen Augen an und ich fühle mich sofort aufgefordert. Hier gibt es ein inzwischen geflügeltes Wort in Leah´s großem Rudel: „Passt auf eure Handy´s auf, sonst ruft sie im Tierheim an und beschwert sich!!“

    Natürlich hat Leah überhaupt keinen Grund, sich zu beschweren, aber als tägliche Aufforderung ist sie ganz wichtig für mich und ich bin – glaube ich – auch wichtig für sie geworden.

    Liebe Sarah, mir gefällt Deine positive Art, Beziehung zu beschreiben.

    Ich würde Dich, Deinen Mann und alle anderen in Deinem Anhang gerne zur Wiederaufnahme unseres Sommertheaterstückes: „Die Brüste des Tiresias“ am 17. März, 19. 30 Uhr in das Haus des bejm nach Neudietendorf einladen und würde mich sehr freuen, wenn ihr euer Kommen ermöglichen könntet.

    Viele Grüße:

    Hans

    • Lieber Hans,

      ganz vielen Dank für diesen tollen Kommentar! Ich werde mit Timo sprechen wegen dem Theaterstück. Es klingt auf jeden Fall ganz toll, vielen Dank schon einmal!

  5. Hallo Sarah, ich habe Tränen in den Augen so sehr berührt mich Dein Brief an Egon und weil es mich an Grizzly denken lässt. Ich habe auch ein Fellmonster, einen Alaska Malamute der mir beigebracht hat nur das zu tun was ich spüre und für richtig halte, ein dickköpfiger liebevoller Hund. Auch er hat mein Leben umgekrempelt….. und ist immer noch dabei.
    Liebe Grüße
    Rosemarie und Grizzly

  6. Wie inspirierend dieser kleine Pelzkerl auf Dich gewirkt haben muss bzw. noch wirkt. Ich bewundere es, dass Du den Mut hattest, aus Deinem Job auszusteigen und Dein Leben zu leben, Deinen Neigungen nachzugehen. Genau das ist derzeit auch mein Thema. Noch fehlt der Mut, mit Mann und Kindern kommt der wohl etwas langsamer 😉

    Tiere werden oft abgeschoben, wenn sie einen starken Charakter haben. Aber gerade das macht sie doch interessant 🙂

    Ich muss Deinen Blog unbedingt meinen Töchtern zeigen – beide sind riesige Pferdefans und finden es sicher superinteressant, dass ein Pony nicht nur zum Reiten, sondern auch zum Wandern da ist 🙂

    Ein wirklich toller Brief, bei dem ich mehrfach schmunzeln musste!

    LG
    Chrissi

    • Hallo Chrissi, oh vielen Dank! Und auch bei dir kommt der Mut bestimmt, da bin ich mir sicher! 🙂 Liebe Grüße an deine Töchter!

  7. Hach wie schön 😀

    Es ist 6:21 Uhr, ich bin gerade aufgestanden, trinke meinen Morgen-Tee und lese als erste Handlung des Tages deinen Brief. Der hat mir echt den Morgen versüßt!
    Deine/eure Geschichte zeigt wirklich sehr schön, wie sehr es sich lohnt, seinen eigenen Weg zu gehen. Oder den von Egon.

    Lieben Gruß
    Linda

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