Wir tragen bei unseren Wanderungen und auch im Alltag sehr gerne Kleidung aus Merinowolle. Sie ist dünn, angenehm auf der Haut, nimmt keine Gerüche (zum Beispiel von Schweiß) an und hat fantastische wärmeregulierende Eigenschaften. Ich bin der totale Fan von Merino Kleidung. Der etwas höhere Preis macht sich durch eine lange Haltbarkeit bezahlt. Das perfekte Kleidungsstück also zum Wandern.
Vor kurzem sind wir allerdings auf das Problem der Haltung und dem Mulesing der Merinoschafe aufmerksam geworden. Merinoschafe wurden und werden gezielt so gezüchtet, dass sie möglichst viel Haut haben, auf denen die kostbare Wolle wachsen kann. Viel Haut wird in diesem Fall durch Hautfalten am ganzen Körper erzielt. Eigentlich kein Problem. Allerdings bleiben die Ausscheidungen der Schafe an den Hautfalten am After hängen und sind dort der ideale Brutplatz für Fliegen, welche dort ihre lebendigen Maden hineinlegen. Diese verursachen schmerzhafte Entzündungen, die oft auch zum Tod führen. Noch schmerzhafter ist leider die Lösung der Hirten um dies zu umgehen: Den Lämmern werden die Hautfalten am After mit einem heißen Messer abgeschnitten, ohne Betäubung. Die Wunde vernarbt anschließend und auf dieser vernarbten Fläche wächst keine Wolle mehr und Fliegen verlieren ihren Brutplatz. Dieses Abschneiden der Hautfalten hat den Namen Mulesing und sieht auf diversen Internetbildern ziemlich grausam aus.
Einige Firmen werben explizit damit, ihre Kleidung nur aus Mulesing-freier Wolle zu gewinnen. Klingt ja erstmal toll. Allerdings: Eine wirkliche Alternative zum Mulesing gibt es bislang nicht. Nun stellt sich mir die Frage: Was passiert dann mit diesen Schafen? Werden sie von den Fliegen einfach verschont? Wohl kaum. Wahrscheinlicher ist , dass trotz aller Versprechen doch Mulesing-Wolle verwendet wird. Ob bewusst oder unbewusst kann man natürlich nur schwer beantworten. Ich habe in Australien gesehen, wie Bullen ohne Betäubung kastriert wurden. In Deutschland verboten. Und es klingt auch erst einmal grausam. Natürlich war das auch kein toller Tag im Leben dieses Bullen. Aber es wurde in vertrauter Umgebung gemacht, dauerte vielleicht 2 Minuten und die Bullen sind danach gleich wieder einigermaßen fit bei der Herde und fressen. Alles verheilt von selbst. Ähnlich stell ich es mir auch mit dem Mulesing vor, was hier auch von einer australischen Farmerin so bestätigt wird. Ob das wirklich so ist? Sicher nicht immer. Oftmals ist es vermutlich wirklich grausam für die Tiere.
Leider ist es immer schwierig, bei so etwas an neutrale Informationen zu kommen. Die erschreckenden Fotos im Netz und auch die Studien stammen oftmals von dem Verein PETA. Und auch wenn mir Tierschutz super wichtig ist – mit PETA kann ich einfach nicht.
Das Schlimme an der Sache ist eigentlich ja auch, dass es überhaupt so weit kommen musste. Das Mulesing selbst ist dabei gar nicht das grausame, sondern die Züchtung der Schafe zu immer mehr Hautfalten, obwohl das Problem mit den lebenden Fliegenmaden in Australien besteht. Natürlich ist das Mulesing auch nicht toll, versteh mich nicht falsch. Aber wäre ein schmerzhafter und eventuell tödlicher Befall mit Maden besser? Hier müsste die ganze Zucht überdacht werden, um nachhaltig etwas zu ändern.
Wir finden es gut, dass hier ein Bewusstsein entsteht und immer mehr hinterfragt wird. Auch ist es toll, dass scheinbar immer mehr Firmen wert auf Tierschutz und Nachhaltigkeit legen. Aber nun als Privatpersonen oder Unternehmen damit regelrecht zu prahlen, dass man Mulesing-freie Kleidung fördert, erscheint uns einfach falsch und ehrlich gesagt auch etwas heuchlerisch.
Denn wer empört sich über den Transport der nicht mehr leistungsfähigen Merinoschafe zu Schlachtereien in den Nahen Osten? Zusammengepfercht auf riesigen Frachtschiffen sterben viele schon qualvoll bei dem Transport. Auch die Schafe, die vorher kein Mulesing erfahren haben. Wer empört sich über Massentierhaltung in Europa? Über grauenhafte Tiertransporte und Milchbetriebe in Deutschland? Wie toll wäre es, wenn auch all das mehr in den Medien thematisiert wäre.
Wenn ich nun zum Beispiel lese, dass Adidas auf Mulesing Wolle verzichtet, kommt mir das angesichts der Marketingausschlachtung dieses an sich ja wichtigen Schrittes, schon wieder total unecht vor.
Was also tun? So richtig bewusst ist uns die Problematik des Mulesing (und auch des langen Transportes vor der Schlachtung) erst nach dem Kauf unserer Merinokleidung geworden. Wir werden diese nun sowieso tragen, bis sie kaputt ist (was hoffentlich viele, viele Jahre dauern wird). Würden wir nun generell von dem Kauf von Merinowolle abraten? Nein. Wir finden, dass man sich bewusst sein sollte, was man mit seinem Kauf unterstützt. Dies betrifft aber natürlich jeden Kauf und jeden Konsum überhaupt. Von Outdoorbekleidung über die tägliche Milchschnitte und die Zahnpasta mit Micro-Plastikteilen. Solange man etwas bewusst konsumiert und sich über die Folgen für die Umwelt klar ist, ist schon viel getan. Im nächsten Schritt kann dann jeder für sich entscheiden, auf was er verzichten und was er durch seinen Konsum unterstützen möchte.
Wenn du gezielt auf Wolle mit Mulesing verzichten möchtest, kannst du auf Wolle aus Südafrika zurückgreifen. Dort kommen die Fliegen, welche ihre Maden in die Schafe legen, nämlich nicht vor, weswegen auch kein Mulesing erforderlich ist. Auch werben ja einige Unternehmen damit, kein Mulesing zu unterstützen. Bei Icebreaker kannst du beispielsweise bei jedem Kleidungsstück nachvollziehen, woher die Wolle genau kommt. So richtig sinnvoll ist aber eigentlich nur eine Änderung des Zuchtprogramms zurück zu weniger Hautfalten. Dies kannst du beispielsweise hier unterstützen (leider wieder ein PETA Link).
Um den grausamen langen Transport der Schafe zu den Schlachthöfen nicht weiter zu fördern, kannst du auch auf Wolle, die direkt in Deutschland gewonnen wird, zurückgreifen. Dies wird sicherlich auch unsere nächste Wahl sein. Oder gleich ganz auf andere Materialien umsteigen.
Trägst du Merinokleidung? War dir das Problem mit den Fliegenmaden und dem Mulesing bekannt und wie stehst du dazu?
Über uns
Sarah und Timo – wer ist denn das überhaupt?
Hallo Zusammen,
seit einigen Jahren recherchiere auch ich nach Mulesingfreier Wolle. Allerdings sollte sie bei mir in allererster Linie aus Deutschland kommen. Und es sind ja nach Ihrem Bericht bereits einige Jahre vergangen. Und immer noch verallgemeinert PETA noch dieses Thema. Wobei sich auch bei Deutschen Firmen und in den Köpfen der Verbraucher viel getan hat. So gibt es immer mehr Wolle mit dem Gütesiegel KBT oder GOTZ die Mulesingfreie Schurwolle garantieren. Denn in Deutschland ist Mulesing verboten und daher müssen auch die Firmen umdenken wenn sie noch etwas verkaufen möchten. In meinem Blog habe ich schon ausgiebig darüber berichtet. Und PETA bedient sich auch heute noch teilweise mit unberechtigten und falschem Videomaterial um ihre Bedenken kundzutun.
Liebe Grüße
Elli
Hallo Sarah
ich habe heute Deinen Bericht entdeckt und muß einfach mal ein bißchen korrigieren
Das Kastrieren von Bullen ohne Betäubung ist grausam. Denn sie verhalten sich nicht etwa deshalb normal, wenn sie endlich wieder auf der Weide sind, weil es Ihnen wieder gut geht, oder sie keine Schmerzen haben, sondern weil sie diese auf gar keinen Fall zeigen dürfen. Denn der Rivale (auch wenn er nicht da ist, im Verhaltensrepertoire ist er vorhanden) würde jede Schwäche sofort ausnutzen und angreifen ! Es ist also ein notwendiges Überlebensprogramm so zu tun, als ob nichts wäre.
Zum Thema mulesing: Es gibt eine Alternative, die Ökowollzüchter in Australien praktizieren. Sie scheren die Schafe regelmäßig um den After herum. Nur wenn nichts mehr hilft, dürfen sie unter Betäubung und nachfolgender Wundversorgung mulesing anwenden.
Dabei wird übrigens von den anderen Wollzüchtern sehr großzügig! die Haut mit Fleisch herausgeschnitten. Es ist einfach nur barbarisch. (Bilder davon findet man im Netz)
Mulesing wird nur in Australien und Neuseeland praktiziert, in anderen Ländern gibt es den Fliegenbefall nicht.
Es gibt übrigens Alternativen zur Merinowolle: Polwarth (Falklandinseln) Guernseywolle, Bluefaced Leicester und noch einige andere, die ebenfalls nicht kratzig sind, sondern beinah so weich wie Merino.
Hallo liebe Johanna,
ganz vielen Dank für deinen Kommentar und die Infos, das ist sehr wertvoll!
Liebe Grüße
Sarah
Hallo Sarah, hallo Timo,
ich finde den Artikel echt gut. Endlich mal ein Artikel, der das Thema umfangreicher behandelt – nicht nur das klassische „Totschweigen“ oder „Hetzen“. Überlege mir ernsthaft euren Artikel auf meiner Merinoseite zu verlinken!
Beste Grüße, Wolfgang
Freut mich, dass dir der Artikel gefällt, Wolfgang!
„Aber es wurde in vertrauter Umgebung gemacht“ Ernsthaft jetzt? Das macht das ganze angenehmer? Empfehle den Selbstversuch um das zu beweisen.
Am besten man kauft einfach gar kein Produkt aus Tierausbeutung. Wer auf wolleartige Stoffe steht, kann z.B. bei Hoodlamb tolle Jacken und Mäntel kaufen.
Hoodlamb checke ich mal aus, danke für den Tipp!